Wie ehrlich und fair sind wir?

Ergänzungen zum Buch „Die menschliche Seite des Projekterfolgs“ von Peter Siwon, dpunkt.verlag, 2010

Das Thema Neurologie, Psychologie und Projektmanagment ist ständig im Fluss. Damit Sie als Leser meiner Publikationen von meinen aktuellen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können, habe ich das wichtigste und interessanteste auf dieser Website für Sie zusammengestellt.

Wie ehrlich und fair sind wir?

07/2012, Peter Siwon: Ehrlichkeit und Vertrauen sind hohe Werte. Wir wünschen sie uns auch in der Projektarbeit. Die Realität sieht oft anders aus: Versteckspiel, Blendwerk und  Täuschung. Was steckt dahinter? Wann sollten wir auf der Hut sein?

Die psychologische Forschung zeigt, dass der Mensch dazu neigt, sich durch Mogeleien in einem besseren Licht zu zeigen, wenn er die Gelegenheit dazu hat.
Daniel Ariely, ein für besonders clevere Experimente bekannter Psychologe, bat Studenten, einen Fragebogen ausfüllen. Anschließend ließ er sie die Ergebnisse selbst auswerten. Dabei nutzten ein Teil der Probanden die Chance, ihr Ergebnis zu schönen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die nicht manipulieren konnte, gaben sie vor, durchschnittlich 8 von 10 statt 6 von 10  Fragen gelöst zu haben. Damit bestätigt sich das Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe“. Nun wurden die Testpersonen gebeten, abzuschätzen, wie sie in weiteren Tests gleicher Art abschneiden würden. Obwohl sie wussten, dass sie nun keine Einflussmöglichkeit auf das Ergebnis haben würden, gaben die Mogler an, ein ähnliches Ergebnis erzielen zu können. Dieser Effekt wurde noch verstärkt, wenn sie zuvor ein Zertifikat für ihre gute Leistung erhalten hatten. Die Kontrollgruppe orientierte sich an ihren alten Ergebnissen.
Die verblüffende Schlussfolgerung: Die Mogler täuschen nicht nur andere, sondern auch sich selbst. Diese Selbsttäuschung wird durch Bestätigung von außen noch gefördert. Die Tendenz zur Selbsttäuschung ist allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Je mehr ein Mensch glaubt, dass er sein Schicksal voll und ganz im Griff hat, desto eher ist der Hang zur Selbstüberschätzung. Hier droht die Selbsttäuschungsfalle für Macher und Mächtige. Versuche von Deborah Gruenfeld der Stanford University bestätigen, dass das Gefühl von Macht die Tendenz zur Selbsttäuschung verstärkt.
Wozu dieser eingebaute Größenwahn? Eine Hypothese dazu ist, dass sich die Fähigkeit des Mogelns und der Selbstüberschätzung in gewissen Grenzen kulturell aber auch evolutionär als Vorteil erwiesen hat. Sie spart Energie und ist ein wirkungsvoller Türöffner, um wichtige Kontakte oder Ressourcen zu erschließen. Allerdings können sie in der Projektarbeit zu gefährlichen Realitätsverzerrungen führen, denen wir durch Maßnahmen wie Reviews oder formalen Test- und Prüfverfahren entgegenwirken sollten, die eine objektive Bewertung der Ergebnisse fördern.
Auch was die Fairness betrifft, neigen die Menschen dazu, sich Vorteile zu verschaffen, wenn sich die Möglichkeit bietet. In einem Versuch von Peircarlo Valdesolo und David DeSteno sollten Probanden Aufgaben per Zufallsgenerator oder durch eigene Wahl sich und einer zweiten Person zuweisen. In über 90% der Fälle entschieden sich die Teilnehmer dafür, die Aufgaben selbst auszuwählen und sich dabei zu begünstigen. Sie fanden das auch moralisch in Ordnung. Neutrale Beobachter bewerteten das Verhalten allerdings als unmoralisch. Offensichtlich nehmen wir unser eigenes unfaires Verhalten durch die rosarote Brille wahr. Die korrigierende Wirkung eines moralischen  Spiegels wurde von Daniel Batson nachgewiesen. Wenn es einen eindeutigen Verhaltenscodex gab und die Probanden ihr Verhalten im Spiegel beobachten konnten, wurden die Regeln erheblich besser eingehalten. Dies zeigt die Bedeutung klarer Regeln und regelmäßigen Feedbacks.
Fazit für die Projektarbeit: Maßnahmen zur neutralen und objektiven Ergebnisbewertung sind als Gegenmaßnahme zur Selbsttäuschung notwendig. In kritischen Phasen gilt: Vertrauen ist gut, objektive Nachweise sind besser. Je mehr Macht und Einfluss Personen haben, desto mehr empfiehlt sich neutrales Feedback z.B. durch professionelle Coachs. Sie können als Verhaltens-Spiegel dienen.

Quellen:
Gehirn und Geist, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH 4/2012 (s.14-18)
Peter Siwon: Die menschliche Seite des Projekterfolgs, dpunkt-Verlag 2010
Zimbardo, Philip G./ Richard J. Gerrig: Psychologie, Pearson Education, München, 2004

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