Was macht unsere Psyche stark?

Ergänzungen zum Buch „Die menschliche Seite des Projekterfolgs“ von Peter Siwon, dpunkt.verlag, 2010

Das Thema Neurologie, Psychologie und Projektmanagment ist ständig im Fluss. Damit Sie als Leser meiner Publikationen von meinen aktuellen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können, habe ich das wichtigste und interessanteste auf dieser Website für Sie zusammengestellt.

Was macht unsere Psyche stark?

Man muss kein Supergirl sein, um stark zu sein
Man muss kein Supergirl sein, um stark zu sein

11/2010 Peter Siwon: Warum gibt es Menschen die scheinbar unerschütterlich sind und sich durch keine Niederlage beirren lassen oder durch schreckliche Erlebnisse ihren Optimismus rauben lassen? Psychologen und Soziologen erforschen die Hintergründe für psychische Stabilität.
Es gibt vielfältige Gründe für diese psychische Widerstandsfähigkeit (Fachbegriff: Resilienz), die in verschiedenen Erklärungsmodellen aufgegriffen werden.

Positives Selbstkonzept: Das Selbstkonzept setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen die Selbsteinschätzung und zum anderen die Selbstwirksamkeit. Menschen mit positiver Selbsteinschätzung erkennen ihre Werte, Fähigkeiten und Erfolge. Die Selbstwirksamkeit steht für die Zuversicht und Fähigkeit, die eigenen Geschicke wirksam zu lenken. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das Selbstbild kann durch die Mitmenschen bestärkt oder geschwächt werden. Auch wenn es nicht möglich ist, klare und eindeutige Kriterien dafür zu definieren, unter welchen Umständen Menschen ein positives oder negatives Selbstkonzept entwickeln, zeigt sich, dass der anerkennende, respektvolle und wertschätzende Umgang eine wesentliche Voraussetzung darstellt. Dabei spielt der Umgang in der Familie eine Schlüsselrolle. Danach können Schule und Ausbildung die Lösungskompetenz und Zuversicht fördern, wenn sie den Menschen geschützte Experimentierfelder anbieten, auf denen Sie gefahrlos Erfahrungen sammeln können. Eine zu frühe und zu starke Leistungsorientierung schürt Versagensängste und wirkt der Resilienz entgegen. Dies spricht sehr stark für eine individuellere Betreuung bei Lern- und Veränderungsprozessen. So wird die Chance erhöht, dass Menschen die notwendige Zuversicht gewinnen, Aufgaben zu meistern, bevor sie einer Prüfungs- oder realen Projektsituation ausgesetzt werden.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Korrelation zwischen Selbstwert und akademischer Leistung nur gering bis mittelmäßig ist (Javies & Brember, 1999; Robins & Beer, 2001; Ross & Broh, 2000). Auch zwischen Führungsfähigkeit und Selbstwert konnte kein Zusammenhang gefunden werden (Chemers et al., 2000). Allerdings besteht eine hohe Korrelation zwischen Selbstwert und subjektivem Wohlbefinden (Diener & Diener, 1995; Shackleford 2001). Damit ist der Selbstwert ein wesentlicher Faktor dafür, wie gut unsere Psyche unabhängig von intellektuellen Fähigkeiten und Führungskraft mit dem Leben zurechtkommt.

Genetische Faktoren: Versuche an Mäusen zeigen, dass die Reaktion auf belastende Situationen durch genetische Faktoren beeinflusst wird. So wirkt sich die genetisch bedingte Intensität der Ausschüttung und des Abbaus von Hormonen wie CortisolVasopressin oder Serotonin auf die erfolgreiche Lösung von Aufgaben unter schwierigen Bedingungen aus. Cortisol ist ein Stresshormon, dessen Konzentration z.B. bei der Burn-out Krankheit erhöht ist. Das Hormon Vasopressin beeinflusst die Stressanfälligkeit. Serotonin dagegen wirkt Stresssymptomen entgegen. Dies sind nur Beispiele für Duzende von Hormonen, die den Hirnstoffwechsel beeinflussen und deren Wirkung und Zusammenspiel derzeit erforscht werden.
Besondere Erwähnung verdient ein Gen namens 5-HTTLPR (Serotonin-Transportgen), das die Fähigkeit bestimmter Neuronen zur Serotonin-Produktion codiert. Serotonin wirkt Stresssymptomen wie Depression, Angst und Aggression entgegen und spielt eine wichtige Rolle bei der emotionalen Regulation. Deshalb wird es auch gerne als „Glückshormon“ bezeichnet. Das Gen tritt in einer kurzen und einer langen Variante auf. Die lange Variante sorgt für eine höhere Serotoninproduktion und damit für eine robustere Psyche. Durch den Genuss von Schokolade oder Bananen erhöht den Serotoninspiegel. Eine Überdosierung, wie sie beispielsweise durch Serotoninantagonisten wie die Droge LSD hervorgerufen wird, erzeugt Halluzinationen. Ein weiteres Gen, das nach aktuellen Erkenntnissen die Produktion eines Enzyms codiert, das aggressives und antisoziales Verhalten hemmt, heißt MAO-A (Monoaminooxidase A). Es zeigt sich, dass Menschen, bei denen das Gen defekt ist, weniger in der Lage sind, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. In der Folge steigt das Risiko von Verhaltensstörungen.

Gene und Umwelt: Die neuesten Erkenntnisse über die Genexpression zeigen, dass die Umwelt erheblichen Einfluss darauf haben kann, ob und wie die genetisch vorgegebenen Potenziale oder Defizite eine Person und ihr Verhalten beeinflussen. So ist es möglich, die Wirkung von Defiziten durch erlernte und eingeübte Verhaltensstrategien und die Wahl des Umfelds zu mindern. Umgekehrt können Potenziale durch fehlende Förderung verkümmern. Als besonders wichtig für die Entwicklung stabiler Psychen erweisen sich positive soziale Bindungen. Dabei spielen die familiären Verhältnisse eine herausragende Rolle, weil Zuwendung und Liebe während der Kindheit eine Widerstandsfähige Psyche steigern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine starke Psyche das Resultat vieler Faktoren ist, die in komplexer Weise zusammenwirken. Derzeit sind die Erkenntnisse zu den einzelnen Faktoren noch sehr lückenhaft, geschweige denn das Wissen über die Wechselwirkungen. In jedem Falle spielt das soziale Umfeld und das Erlernen von Verhaltensstrategien eine entscheidende Rolle dafür, wie genetische Potentiale genutzt und die nachteiligen Folgen genetischer Defizite gemindert werden können. Ein positives soziales Umfeld stimuliert unsere Talente. Das heißt nicht, dass es sich dabei um ein konfliktfreies, dauerharmonisches (ohnehin eine Illusion) Umfeld handeln muss, sondern vielmehr, dass Konflikte im gegenseitigen Respekt gelöst werden. Das gilt natürlich nicht nur für das private und familiäre, sondern auch für das berufliche Umfeld und Projekte.

Quellen:  
– Rabea Rentschler, Am Leben wachsen, Gehirn&Geist 3/2010, S. 46
– Wikipedia, Serotonin
– Jochen Paulus, Überschätzt Glücksbringer, Gehirn&Geist 3/2010, S. 68
– Bauer, Joachim: Das Gedächtnis des Körpers, Piper
– Bamberger, Christoph M: Stress-Intelligenz, Droemer/Knaur
– Foto: Yael Weiss, Fotolia.com

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