Ergänzungen zum Buch „Die menschliche Seite des Projekterfolgs“ von Peter Siwon, dpunkt.verlag, 2010
Das Thema Neurologie, Psychologie und Projektmanagment ist ständig im Fluss. Damit Sie als Leser meiner Publikationen von meinen aktuellen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können, habe ich das wichtigste und interessanteste auf dieser Website für Sie zusammengestellt.
Psychologie der Ästhetik
11/2011, Peter Siwon: Gibt es so etwas wie ein natürliches Empfinden für Schönheit? Nach welchen Gesichtspunkten empfindet die Mehrzahl der Menschen einen Gegenstand als schön? Hier ein paar Antworten zu diesen Fragen.
Designforscher versuchen durch Experimente herauszufinden, welche Gestaltungsmerkmale Menschen bevorzugen. Bei einer Versuchsreihe (Moshe Bar, Maital Neta, Neurologen der Harvard Medical School 2006) stellte sich bei Gegenständen wie Sofas und Armbanduhren heraus, dass 2 von 3 Probanden runde, aber nur jeder zweite eckige Konturen spontan als positiv bewertete. Bei einer weiteren Studie 2007 wurden den Probanden 140 Alltagsobjekte präsentiert und dabei auch die Hirnaktivitäten aufgezeichnet. Ergebnis: Runde Gegenstände wurden favorisiert, danach kamen die Mischobjekte mit runden und eckigen Elementen, das Schlusslicht bildeten kantige Gegenstände. Interessant ist dabei, dass kantige oder spitze Objekte Hirnregionen stimulieren, die eine zentrale Rolle bei Angstreaktionen spielen. Die Forscher spekulieren, dass wir intuitiv das Gefahrenpotential und die Verletzungsgefahr erkennen, die von diesen Gegenständen ausgeht.
Ein weiteres Kriterium für erhöhte Akzeptanz ist die Vertrautheit eines Objekts. Je mehr ein Objekt gewohnte Formen und Proportionen aufweist, umso vertrauter erscheint es uns. Das bedeutet aber auch, dass wir in diesem Objekt weniger Risiken sehen und seine Anwendung mit weniger Aufwand verbunden ist (Piotr Winkielman und John T. Cacioppo, 2001). Unser ästhetisches Empfinden wird also durch das Gefühl der Vertrautheit beeinflusst. Diese Tendenz wird durch gute Laune abgeschwächt und durch schlechte Stimmung (Angst) verstärkt. Gutgelaunte Menschen sind experimentierfreudiger (Winkielman, 2010).
Menschen wenden bei der Bewertung von Objekten ähnliche Kriterien an wie bei Gesichtern, wenn diese Gegenstände ähnliche Formen aufweisen. Die Front eines Autos erinnert mit Scheinwerfern und Kühlergrill an Augen und Mund. So haben Autos aggressive, freundliche oder verschmitzte „Gesichtsausdrücke“ und die Designer sind trotz Designvariationen und Modeströmungen bestrebt diesen vertrauten mimischen Ausdruck beizubehalten.
Unabhängig von dem Bedürfnis nach vertrauter Originalität bevorzugen die meisten Menschensymmetrische Objekte. Dies mag mit unserer intuitiven Einschätzung zu tun haben, dass Symmetrie eines Körpers und Gesundheit häufig korrelieren.
Auch die Kognitionspsychologie liefert Ansätze, die das Empfinden von Ästhetik erklären. Hier gilt: je einfacher, desto besser. Objekte, die leicht kognitiv zu verarbeiten sind, werden als schön empfunden. Somit werden bekannte oder symmetrische Objekte bevorzugt, weil die erfolgreiche und mühelose Verarbeitung der Sinnessignale ein gutes Gefühl erzeugt.
Aber warum wechseln wir trotzdem immer wieder zu neuen Designs? Warum ändert sich die Mode? Das wiederum hat mit einer anderen Eigenheit der menschlichen Psyche zu tun: Neugier, Vermeidung von Langweile. Auch die Wirkung dieses Einflusses wurde untersucht (Paul Hekkert, 2003). Das Ergebnis: Designs, die es schafften vertraute Gestaltungselemente mit Innovation und Originalität zu kombinieren (maya-Prinzip: most advanced, yet acceptaple), erhielten die größte Zustimmung.
Quellen:
– Helmut Leder, Wie es uns gefällt, Gehirn & Geist, 3_2011
– Bar, M., Neta, M.: Visual Elements of Subjective Preference Modulate Amygdala Activation, Neuropsychlogia 45, S. 2191-2200, 2007
– Hekkert, P.P.M. et al.: Most Advanced Yet Acceptable: Typicality and Novelty as Joint Predictors of Aesthetic Preference in Industrial Design, British Journal of Psychology 94, S. 111-124, 2003
– Peter Siwon, Die menschliche Seite des Projekterfolgs, Dpunkt-Verlag, 2010
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