Online-Seminare zur Projektarbeit

Einstieg in Online-Seminare zur Projektarbeit:
Trauer, Schizophrenie und Erkenntnisse 

Die Corona-Krise eröffnete mir die ungewollte Gelegenheit auf Online-Seminare zur Projektarbeit umzusteigen. Wie ist es mir als Trainer dabei ergangen? Hier mein Erlebnisbericht mit neun persönlichen Fazits.

Erlebnisbericht Online-Seminare zur Projektarbeit
Vorsicht! Die Vorbereitung eines Online-Seminars zur Projektarbeit kann zu digitaler Schizophrenie führen!

Ich finde es toll, dass ich in den Seminaren immer wieder neue Menschen kennen lerne. Meine Trainings leben vor allem von einem regen Austausch mit den Teilnehmern*innen und unter den Teilnehmer*innen. Ich bin ein leidenschaftlicher Flipchart-Maler. Ich liebe es, wenn sich während des Seminars die Wände mit den gemeinsam erarbeiteten Erkenntnissen füllen und wir am Ende quasi in einem bunten Raum der Erkenntnis sitzen. Ich freue mich, wenn ich die AHAs in den Gesichtern der Menschen aufblitzen sehe. Und jetzt das: Corona schickt mich und meine Teilnehmer*innen in die Verbannung des Homeoffice und alles was uns verbindet ist ein Strom von mehr oder weniger störungsfreien Bits, die zwischen uns hin und her flitzen. Aber was hilft´s.

  1. Fazit: Es macht wenig Sinn zu jammern. Ein bisschen traurig sein ist schon ok. Aber dann gilt die Devise: Mach das Beste draus!

Warum das Rad für Online-Seminare zur Projektarbeit neu erfinden?

Das Beste ist es, erst einmal zu schauen, was die tun, die sich schon früher in das virtuelle Klassenzimmer gewagt haben. Also habe ich mir ein paar Online-Seminare reingezogen – auch solche, die davon handeln, wie man Online-Seminare gestaltet.

  1. Fazit: Kein Hexenwerk, denn die kochen alle auch nur mit Wasser. Man kann tatsächlich auch virtuell attraktive und brauchbare Trainings auf die Beine stellen.

So ermutigt habe ich mal nach Ratschlägen gegoogelt, die sich pandemiebedingt viral im Internet verbreiteten. Anschließend führte ich ein paar Gespräche mit Kollegen, die ähnlich wie ich versuchten, ihren Weg in die virtuelle Lernwelt zu finden oder dort bereits unterwegs waren. Natürlich habe ich mir auch ein Buch besorgt und brav die Ratschläge gelesen.

  1. Fazit: Die meisten Eigenschaften guter Online-Seminare zur Projektarbeit sind identisch mit denen eines guten Offline-Seminars. Es geht vor allem darum, bewährte Ansätze guter Didaktik und Methodik durch die Enge des digitalen Übertragungskanals wirksam durchzuquetschen, ohne dass es gequetscht wirkt.

Exploration der virtuellen Lernwelt

Alle Theorie ist grau. Also habe ich mich in die Praxis gestürzt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das ist, wenn ich statt direkt mit Menschen mit deren abgeflachter Mini-Version auf dem Computerbildschirm kommuniziere. Wichtige Informationen, die ich in der analogen Seminarwelt quasi geschenkt bekomme, sind online nur sehr eingeschränkt oder gar nicht verfügbar.  Körpersprache, Mimik, die Wahrnehmung von Stimmungen in der Gruppe, Beziehungsaufbau und -pflege in den Kaffee- und Mittagspausen, geschieht quasi durch ein digitales Schlüsselloch. Jetzt steht zwischen mir und den Teilnehmer*innen das Internet und ein weiteres Tool, das bedient und bestmöglich genutzt werden will. Was macht das mit mir? Wie komme ich damit zurecht?

Also habe ich mir den Zugang zu 4 verschiedenen Tools verschafft. Dann habe ich erst einmal mit drei Rechnern Seminarsituationen mit einem Trainer und zwei Teilnehmer*innen simuliert. Vorsicht: Der dabei ständig zu vollziehende Rollenwechsel führt zu einer digitalen Schizophrenie! Nachdem ich alle Funktionen so einigermaßen im Griff hatte, wurden Frau, Kinder und Freunde zu kleinen Übungs-Sessions eingeladen. Diese Außensicht war nicht nur gegen die digitale Schizophrenie hilfreich. Die Rückmeldungen („Papa, so kannst Du das nicht lassen!“) veranlassten mich dazu, noch mehr in die Beleuchtung, Ton- und Bildqualität zu investieren.

  1. Fazit: Es lohnt sich, den praxisnahen Umgang mit der Infrastruktur und der virtuellen Situation zu üben, üben, üben. Die ehrliche Rückmeldung von Testpersonen ist sehr nützlich, um blinde Flecken in der eigenen Wahrnehmung zu beleuchten.

Bei den Tests wurde auch Folgendes sehr deutlich: Online-Seminare zur Projektarbeit sind für beide Seiten anstrengender, deshalb sind häufigere Pausen empfehlenswert. Manche Abläufe vor allem am Anfang des Seminars und bei den Übungen brauchen mehr Zeit. Die für viele Beteiligten ungewohnte Lernumgebung, die fehlenden nonverbalen Kommunikationskanäle und die Toolbedienung sind die Bremser.

  1. Fazit: Das Timing des Offline-Seminars lässt sich nicht auf die Online-Version übertragen. Einige Abläufe brauchen 25-50% mehr Zeit.

Ich fühlte mich jetzt einigermaßen fit, Inhalte, Erklärungen und Übungen durch die Online-Brille zu betrachten. Nun war es an der Zeit, eines meiner Seminare online-tauglich umzustricken. Als Projektfreak liebe ich Checklisten. Damit der Umbau meiner Online-Seminare zur Projektarbeit  einigermaßen systematisch von statten geht, habe ich deshalb gleich eine Checkliste zusammengeklöppelt mit hilfreichen Fragen wie diesen:

  • Was lässt sich online gut abbilden?
  • Was muss ich aus zeitlichen Gründen ändern, weglassen oder kürzen?
  • Was muss ich aus methodischen Gründen ändern, weglassen oder kürzen?
  • Wo muss ich die Visualisierung anpassen, um das gesprochene Wort zu unterstützen, weil die Teilnehmer*innen mich nicht sehen können?
  • Welche Hilfestellung in Form von Vorlagen und Anleitungen biete ich den Teilnehmer*innen an?
  • Wie nutze ich die Möglichkeiten der Tools wie Whiteboard, Bildschirm teilen, Anwendung teilen, Break-out-Sessions, Umfragetools, Statusmeldungen, Chat, etc. für die Interaktion?
  • Wie schaffe ich mediale Abwechslung durch Präsentationen, Videos, die Life-Nutzung von Flipchart oder Pinnwand?
  • Wie sorge ich immer wieder für ein kurzes aktives Feedback, damit der digitale Faden zu den Teilnehmern*innen nicht abreißt?
  • Welche Funktionen des Seminar-Tools sollte ich nutzen und von welchen lieber die Finger lassen?

Nicht zu vergessen:

  • Was ist für die Phasen vor und nach dem Online-Seminar für Projektarbeit noch zu bedenken?
  • Was stelle ich wie vorab bereit?
  • Was biete ich wie danach an?

Alle wichtigen Erkenntnisse, die ich bei der Beantwortung dieser Fragen gewann, landeten natürlich ebenfalls in einer Liste. Ich liebe Erkenntnis-Listen.

  1. Fazit: Bei der Umstellung auf online muss jeder Schritt und jede Methode durch die Online-Brille einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dies gilt auch für die Maßnahmen, die Seminarleiter und Teilnehmer*innen vor und nach dem Training durchlaufen. Die Liebe zu Checklisten und Erkenntnis-Listen zahlt sich aus. Vieles muss ausführlicher und kleinteiliger aufbereitet und an die Möglichkeiten der Infrastruktur und Seminarsituation angepasst werden. Es war mehr Arbeit als ich befürchtete. Aber es machte auch Spaß und ich habe viel gelernt.

Bei der Umsetzung wählte ich einen agilen Ansatz: Ich strickte anfangs immer nur überschaubare Abschnitte meines Seminars um, z.B. eine Übung oder Erklärung. Mit der frisch designten Online-Versionen dieses Seminar-Schnipsels ging es dann in den Live-Test. Jeder Schritt wurde nun mit dem Tool praktisch getestet. Stimmt das Timing? Funktionieren die Methoden und Hilfsmittel? Klappt der Medienwechsel? Obwohl ich schon viel mit verschiedenen Tools geübt habe, stieß ich noch auf die eine oder andere Fußangel oder hilfreiche Funktion. Die Erfahrungen flossen dann in die Gestaltung der weiteren Seminarteile für Online-Seminare zur Projektarbeit ein.

  1. Fazit: Durch das schrittweise Umbauen, Durchspielen und Üben aller Seminarsituationen können wir uns vor unliebsamen Überraschungen schützen und neue Möglichkeiten entdecken, die der weiteren Gestaltung zu Gute kommen.

Jetzt kamen die Stunden der Wahrheit! Das erste Online-Seminar zur Projektarbeit mit echten, digitalisierten Teilnehmern*innen, die was haben wollen für ihr Geld. Ich war ziemlich aufgeregt. Habe ich alles bedacht? Natürlich nicht! Ich durfte noch einige Schwachpunkte in meinem Konzept und ein paar Eigenheiten des Tools entdecken. Ein Seminar mit realen, zahlenden Teilnehmern*innen ist ein gutes Stück herausfordernder als ein Test-Situation. Ich war sehr froh über meine intensive Vorbereitung. Hätte ich nur einen Teil der Erfahrungen aus der Vorbereitung im Seminar sammeln müssen, wäre ich wahrscheinlich durchgedreht und die Teilnehmer*innen hätten mich virtuell zum Teufel gewünscht.

  1. Fazit: Es kommt immer anders als geplant und gewünscht. Gute Vorbereitung ist eine wichtige Voraussetzung, dass wir auch mit den unvorhergesehenen Situationen besser klarkommen.

Ich hatte das Glück, dass Personen mit Trainererfahrung bei der erstmaligen Durchführung der Online-Versionen hospitierten. Ich bekam noch einmal sehr wertvolle und professionelle Rückmeldungen für Verbesserungsmöglichkeiten. Gleichzeitig erhielt ich auch sehr positives Feedback von den Teilnehmern*innen, für die es größtenteils das erste Online-Seminar für Projektarbeit war. Sie waren angenehm überrascht, wie gut es funktioniert hat. Ich ehrlich gesagt auch.

  1. Fazit: Ich kann Hospitationen nur empfehlen, denn es ist immer Luft nach oben. Gleichzeitig hilft eine ehrliche und wertschätzende Rückmeldung dabei, dass diese Luft auch gerne genutzt wird.

Ich freue mich nun auf weitere Online-Seminare zur Projektarbeit. Sie sind ein wichtiges Element in der Weiterbildungslandschaft. Sie werden aufgrund der Corona-bedingten, breiten Anwendungserfahrung mit Sicherheit künftig noch vielfältiger zum Einsatz kommen. Ich freue mich noch mehr darauf, wieder Seminare mit nicht-digitalisierten Teilnehmer*innen zu halten. Ich werde die nonverbale Kommunikation und persönliche Begegnung in vollen Zügen genießen. Jetzt wo es fehlt, wird der Wert auch dieses Formats noch sichtbarer.

Schließlich ein kurzer Blick in die Zukunft: Die Kombination von Online- und Präsenz-Seminaren bietet viele interessante Gestaltungsmöglichkeiten, die noch lange nicht ausgeschöpft werden. Künftige Technologien werden hier immer neue Wege eröffnen. Irgendwann treffen wir uns als Hologramme im virtuellen Raum und die Grenze zwischen virtuell und real löst sich auf. Aber das dauert noch ein bisserl.

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