Ergänzungen zum Buch „Die menschliche Seite des Projekterfolgs“ von Peter Siwon, dpunkt.verlag, 2010
Das Thema Neurologie, Psychologie und Projektmanagment ist ständig im Fluss. Damit Sie als Leser meiner Publikationen von meinen aktuellen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können, habe ich das wichtigste und interessanteste auf dieser Website für Sie zusammengestellt.
Intelligenz der Vielen

03/2011: Wem können wir mehr vertrauen, dem Experten oder der durchschnittlichen Meinung vieler Menschen, die sich unabhängig voneinander ein Urteil bilden? In vielen Fällen liefert der Durchschnitt der Masse bessere Ergebnisse als die Elite der Experten. Untersuchungen von Psychologen zeigen, dass die durchschnittliche Meinung vieler Nichtexperten der Wahrheit oft sehr viel näher kommt als die Einschätzung der Experten. Je größer die Anzahl der Nichtexperten ist desto besser das Ergebnis.
Schon 1906 zeigte Francis Galton, ein Statistikpionier, dass das durchschnittliche Urteil vieler Menschen der Wahrheit sehr nahe kommt, auch wenn die Meinungen sehr stark differieren. So lies er auf einer Landwirtschaftsmesse in einem Wettbewerb das Gewicht von Ochsen schätzen. Anschließend wertete er die Angaben von ca. 800 Teilnehmern aus. Obwohl die Meinungen um über 200 Pfund auseinandergingen lag der Mittelwert (Median)nur um wenige Pfund daneben. Ähnliche Experimente, wie das Schätzen der Anzahl von Münzen in einem Glas bestätigten dieses Ergebnis. Wichtig dabei ist, dass die beteiligten Menschen Ihre Schätzung unbeeinflusst abgeben können. Unter dieser Voraussetzung ist die Gruppe IMMER besser als die Mehrzahl ihrer Mitglieder. Das heißt, dass eine große Meinungsvielfalt einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellt. Der Komplexitätsforscher Scott Page nennt dieses Phänomen „Vielfaltsgesetz“. Diese Vielfalt entsteht durch unterschiedliches Wissen, verschiedene Perspektiven, Interpretationen, Problemlösungsstrategien und Ursache-Wirkungs-Modelle. Natürlich heißt das nicht, dass der Durchschnitt immer schlauer ist wie ein Experte oder ein blindes Huhn, das mit viel Glück ein Korn gefunden hat. Aber es bedeutet, dass eine konsensfähige Gemeinschaft, die eine große Meinungs-Vielfalt besitzt, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie besonders danebenliegen kann. Das Interessante daran ist, dass der kollektive Fehler umso geringer ist, je größer die Vielfalt der Einzelschätzungen ist. Die Formel dazu lautet:
kollektiver Fehler = durchschnittlicher Einzelfehler – Vielfalt der Schätzungen
Das bedeutet, dass die Wirkung individuelle Fehlleistungen durch die Vielfalt der Fehlleistungen kompensiert wird. Das zeigt, dass interdisziplinäre, multikulturelle, generationsübergreifende Teams und Gemeinschaften, die bereit sind Meinungsvielfalt zuzulassen und den Konsens in dieser Vielfalt suchen, geringere Fehlerrisiken tragen müssen als Monokulturen und Einzelkämpfer. Ein schönes Beispiel liefert die Sendung „Wer wird Millionär“. Hier liegt das Publikum in 90 % der Fälle richtig. Die Experten kommen nur auf 66%. Suchmaschinen wie Google nutzen dieses Prinzip übrigens auch in Ihren Suchalgorithmen.
Quellen:
– Len Fisher: Schwarmintelligenz – Wie einfache Regeln Großes möglich machen. Eichborn, Frankfurt a. M. 2010
– G&G 9/2010
Bild: Yuri Arcurs fotolia.com