Denken Sie männlich, weiblich oder nur anders?

Ergänzungen zum Buch „Die menschliche Seite des Projekterfolgs“ von Peter Siwon, dpunkt.verlag, 2010

Das Thema Neurologie, Psychologie und Projektmanagment ist ständig im Fluss. Damit Sie als Leser meiner Publikationen von meinen aktuellen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können, habe ich das wichtigste und interessanteste auf dieser Website für Sie zusammengestellt.

Denken Sie männlich, weiblich oder nur anders?

Geschlecht Zeichen02/2012: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen? Was kann man daraus für den Einsatz von Mann und Frau in Projekten ableiten?

Es gibt Unterschiede, die genetisch verankert scheinen. So zeigen Kinder geschlechtsspezifische Vorlieben für Spielzeuge, die nicht durch Sozialisation erklärbar sind. Jungen bevorzugen bewegliche Objekte wie Fahrzeuge und Bälle. Mädchen dagegen bevorzugen ortsgebundene Objekte. Vergleichbare Vorlieben finden sich auch bei Menschenaffen.

Wesentliche Unterschiede in der Anatomie finden sich u.a. in dem Bereich des Gehirns (Hypothalamus), der für die Steuerung des Hormonsystems eine sehr wichtige Rolle spielt. Beispielsweise reagieren männliche und weibliche Hormonsysteme unterschiedlich auf Stresssituationen. Während Männer eher zu Kampf oder Fluchtreaktionen (Fight or Flight) neigen, wenden Frauen diese Strategie seltener an. Sie  zeigen stattdessen öfter eine Fürsorge- und Beschwichtigungsverhalten (Tend and Befriend). Beim Mann wirkt das Hormon Testosteron stärker, das Aggression und Imponiergehabe steigert. Bei Frauen dagegen wirkt das Hormon Oxytocin, das die Bildung sozialer Bindungen unterstützt, stärker. Betrachtet man die für Männer und Frauen lange Zeit typischen Lebensbedingungen, erscheint das plausibel. Für Männer stellt Kampf und Flucht aufgrund Ihrer Körperkraft eine gute Option dar. Wogegen für eine schwangere oder stillende Frau  das Heil eher darin liegt, den Nachwuchs zu schützen, Verbündete zu gewinnen oder den Angreifer zu beschwichtigen.

Die Neurobiologen haben noch weitere Unterschiede in der Hirnstruktur gefunden. Doch ist aufgrund der hohen Komplexität des Gehirns nicht klar nachweisbar, wie sich diese Unterschiede letztlich in den Verhaltensweisen und Fähigkeiten niederschlagen. Dazu fehlen den Forschern noch sehr viele Puzzlesteinchen, die nötig sind um die Funktion von Gehirn und Hormonsystems gut genug zu verstehen. Außerdem ist es ein Irrtum, davon auszugehen, dass nur männliche Gehirne in männlichen Körpern oder weibliche Gehirne in weiblichen Körpern wohnen. Mittlerweile weiß man, dass es auch andere Kombinationen und Zwischenstufen gibt, z.B. finden wir Gehirne mit „typisch“ weiblicher Anatomie auch in männlichen Körpern und umgekehrt. Wie diese Konstellationen beim Heranwachsen des Babies im Mutterleib entstehen wird im Wesentlichen durch Hormone bestimmt. So kann beispielsweise eine stressbedingte Erhöhung des Testosteronspiegels während der Schwangerschaft dazu führen, dass das Gehirn des Embryos andere geschlechtsspezifische Merkmale entwickelt als der Körper.

So gesehen macht es wenig Sinn, Fähigkeiten stereotypisch Einzelpersonen zuzuordnen. Viel sinnvoller ist es, die Fähigkeiten der Menschen unabhängig von Ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen in den Vordergrund zu stellen und objektiv, z.B. durch Blindtests, sichtbar zu machen. Oder gehen wir noch einen Schritt weiter und lösen uns auch von den Vorurteilen, die wir, wenn auch oft unbewusst, mit Herkunft, Rasse, Größe etc. verbinden. Der Lohn: Es eröffnet sich eine enorme Vielfalt noch ungenutzter Fähigkeiten und Potentiale. Genau die brauchen wir, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern.  Die Kunst besteht darin, das Anderssein (Diversity) als Chance statt als Bedrohung oder Schwäche zu sehen.

Quellen:

Bild: Marco-Birn-Fotolia

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