
10/2010, Peter Siwon: Die meisten Bereiche des Cortex sind sich oberflächlich betrachtet ähnlich. Die Unterschiede liegen im Detail der Architektur und Funktion (Architektonik). Die Unterschiede liegen in der Größe und Packungsdichte der Nervenzellen (Zytoarchitektonik), den bei der Signalübertragung beteiligten Molekülen (Neurotransmitter) und Rezeptoren (Rezeptor-architektonik) und der Art der Vernetzung der Neuronen (Myeloarchitektonik und Konnektivität). Betrachtet man diese Unterscheidungsmerkmale, dann lassen sich im Gehirn mehr als 200 Areale unterteilen.
Zytoarchitektonik: Mittlerweile lassen sich mit MRT-Scans die Zellarchitekturen eines lebenden Gehirns genau abbilden. Allerdings unterscheiden sich menschliche Gehirne von Person zu Person nicht nur in ihrer Gesamtgröße und Form, sondern auch hinsichtlich der exakten Lage und Größe der einzelnen Areale. So wurden z.B. Unterschiede zwischen Rechts- und Linkshändern dokumentiert, zwischen Frauen und Männern, alten und jungen Menschen. Auch intensives Training besonderer Fertigkeiten, etwa Musik oder Sport, verändert die Struktur. Das bedeutet, dass sich die Position, Funktion, Ausdehnung von Gehirnarealen nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit angeben lässt.
Rezeptorarchitektonik: Mittlerweile wurden mehrere hundert verschiedene Rezeptortypen entdeckt. Jede Zelle verfügt über viele unterschiedliche Rezeptortypen und empfängt nicht nur Botenstoffe der Neuronen mit denen es über Nervenbahnen verbunden ist sondern auch von benachbarten Neuronen. Das bedeutet, dass es sich hier nicht um eine simple Übertragung eines Signals wie auf über einen einzelnen Draht handelt. Die Übertragung ähnelt eher der eines Drahtbündels, das viele Informationen gleichzeitig übermitteln kann. So wurden mittlerweile 15 verschiedene Rezeptoren im Hippocampus nachgewiesen, einer Hirnstruktur, die Lernen und Gedächtnis ermöglicht.
Myeloarchitektonik und Konnektivität: Die verschiedenen Gehirnareale sind zum Teil über große Entfernungen miteinander vernetzt. Die Diffusions-Tensor-Bildgebung erlaubt mittlerweile einen direkten Einblick in den Verlauf dieser Faserbahnen beim lebenden Menschen.
Die Kombination dieser Architekturmerkmale führt zu immer detaillierteren Gehirnkarten, die es erlauben, immer tiefer in die biologischen Hintergründe unseres Denkens einzutauchen. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass wir noch weit davon entfernt sind, dem Denken wirklich auf den Grund zu gehen. Viele interessante und überraschende Entdeckungen sind zu erwarten.
Quellen:
Amunts, K. et al.: Cytoarchitecture of the Cerebral Cortex – More Than Localization. In: Neuroimage 37, S. 1061 – 1065, 2007.
Zilles, K., Amunts, K.: Receptor Mapping: Architecture of the Human Cerebral Cortex. In: Current Opinion in Neurology 22, S. 331 – 339, 2009.
G&G 7-8_2010
Bild: Neuronen Sebastian Kaulitzki – Fotolia