Kritik üben

mit der Was-Wie-Methode

In meinen Seminaren werde mir häufig Fragen wie diese gestellt:  „Wie kann ich Kritik üben, ohne dass die kritisierte Person abblockt, beleidigt ist oder sich herauszureden versucht? Und wie schaffe ich es, dass sie bereit ist mit mir gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten?“

Kritik üben erzeugt leider oft eher Abwehr statt Abhilfe
Kritik üben erzeugt leider oft eher Abwehr statt Abhilfe (Bild: fotoart Elisabeth Wiesner)

Mein Lösungs-Vorschlag um wirksam Kritik zu üben ist die Was-Wie-Methode.

Bevor ich diese Methode erkläre, schauen wir uns kurz an, wo der Kern des Problems liegt. Was erschwert das Ansprechen von Unterschieden z.B. zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Erwartungen und Ergebnissen oder allgemeiner ausgedrückt zwischen Soll und Ist. Dazu machen wir uns bewusst, in welchem emotionalen Zustand sich die beteiligten Personen häufig befinden, wenn Kritik geäußert wird.

Die Person, die glaubt eine Lücke zwischen Anforderung und Ergebnis zu erkennen, ist z.B. verärgert, enttäuscht, unsicher, sie will inneren Druck loswerden, rechnet mit Gegenwehr oder Gegenangriff.

Die Person, die mit dieser Lücke konfrontiert wird, ist möglicherweise beleidigt, fühlt sich ertappt, fühlt sich ungerecht behandelt, empfindet Kritik oder Zweifel als Angriff und glaubt, sich wehren zu müssen.

Diese Gefühle erzeugen bereits eine Spannung zwischen den Beteiligten bevor auch nur ein Wort gewechselt wurde. Die Person, die Kritik üben will, und die, die damit rechnet, dass sie kritisiert wird, erwarten ein Wechselspiel aus Angriff, Verteidigung und Gegenangriff. Der Körper und die Psyche bereiten sich auf diese Situation vor. Adrenalinspiegel, Herzschlag, Blutdruck und Atemfrequenz steigen. Die Muskeln spannen sich an. Diese physiologischen Veränderungen wirken auf Körpersprache, Tonfall und Lautstärke. Diese Stresssignale führen außerdem dazu, dass das Gehirn komplexe und damit langsame Denkvorgänge zugunsten schnellerer, reflexartiger und primitiver Denkroutinen hemmt. Damit bleiben nüchterne Reflexion, diplomatisches Geschick und nicht selten auch Höflichkeit und Wertschätzung auf der Strecke. Insgesamt ein explosiver Mix körperlicher und psychischer Startbedingungen. Schlechte Voraussetzungen für Gespräche, die eigentlich dazu dienen sollten, Merkmale und Ursachen dieser Lücken zu identifizieren und zu beheben.

Wie können wir diese Eskalation beim Kritik-üben vermeiden?

Ein Schlüssel zur Lösung des Problems ist die Haltung mit der die Person, die glaubt eine Lücke zwischen Soll und Ist erkannt zu haben, an die Situation herangeht. Sie sollte sich klar machen, dass es sich zuerst einmal um eine von ihr subjektiv wahrgenommene Lücke handelt. Ob diese Lücke auch von anderen Personen so gesehen wird, ist zu klären. Wenn das geklärt ist, ist eine weitere Haltung hilfreich: Wir wollen gemeinsam eine Lösung finden, die dafür sorgt, dass diese Lücke, wenn möglich, verschwindet und künftig nicht mehr auftritt. Wie gehen wir also vor?

Kritik üben, aber wirkungsvoll

Informieren statt beurteilen

Der erste Schritt beim wirksamen Kritik üben ist, dass wir die andere Person über unsere Wahrnehmung informieren und jetzt kommt etwas sehr Wichtiges: ohne zu bewerten oder zu verurteilen.

Wir sagen also NICHT: „Das Ergebnis entspricht nicht den Anforderungen“ oder „Das Ergebnis ist eine Zumutung, unbrauchbar, Mist“ o.ä.

Sondern wir wählen Formulierungen wie
„nach meinem Verständnis war folgendes vereinbart …“,
„Aus meiner Sicht stellen sich die Ergebnisse folgendermaßen dar…“ oder
„Deshalb sehe ich folgende Lücke zwischen Vereinbarung und Ergebnissen…“

Durch diese Formulierungen wird klar, dass es sich um meine derzeitige Sicht handelt.

Aufklären und verstehen

Dann stellen wir folgende Art von Fragen:

  • Wie sehen Sie die Sache?
  • Was ist Ihre Einschätzung?
  • Wie kam es zu dieser Lücke?
  • Was könnten die Ursachen sein?

Mit Hilfe dieser Was- und Wie-Fragen versuchen wir gemeinsam die Merkmale dieser Lücke und ihre Ursachen möglichst gut zu verstehen. Diese Vorgehensweise erhöht die Chancen, dass die andere Person eher bereit ist, die Situation mit uns zu analysieren und aufzuklären, anstatt sich einzuigeln und zu verteidigen. Fragen mit Wie und Was haben den Vorteil, dass sie neutraler klingen als Fragen mit Warum. Fragen mit Warum erhöhen die Gefahr, dass sie als Vorwurf oder Schuldzuweisung interpretiert werden, z.B. „Warum haben Sie die Anforderungen nicht wie vereinbart erfüllt?“.

Lösungsorientierter Dialog

Wenn wir auf diese Weise wertvolle Erkenntnisse von den Merkmalen und Ursachen der Lücke gewonnen haben, sind wir gut auf den nächsten Schritt vorbereitet, den lösungsorientierten Dialog.

Auch hier können wir wieder sehr gut mit Was- und Wie-Fragen operieren:

  • Wie können wir die Lücke noch schließen?
  • Was können wir tun, damit die Lücke künftig nicht mehr auftritt?
  • Wie sind wir mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit erfolgreich umgegangen?
  • usw.

Außerdem steht uns das ganze Repertoire von Fragen zur Verfügung, um Lösungsideen zu entwickeln:

  • Wer könnte uns unterstützen?
  • Welche bewährten Lösungsansätze kennen wir?
  • Wann soll die Lücke geschlossen werden?
  • Usw.

Maßnahmen beschließen und ihre Wirkung prüfen

Mit diesen Lösungsansätzen werden konkrete Maßnahmen beschlossen und auch festgelegt, wann und wie deren Wirksamkeit überprüft wird.

Und wenn es dann doch noch nicht 100% geklappt hat, drehen wir eine neue Runde mit der Was-Wie-Methode. Denn Übung macht den Meister und sinnigerweise steckt das Wort Üben in dem Begriff „Kritik üben“ drin.

Tipps

Erklärvideo auf YouTube zur Was-Wie-Methode

Fachartikel: Beziehungen im Projekt gestalten und erhalten – warum Sie nicht nur sachlich bleiben sollten.

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