Die Zauber-Formeln der Innovation Teil 2:
Der Weg durch die Zone des Ächzens und Stöhnens
Denken, Entscheiden und Handeln im Innovationsprozess
richtig kombinieren und gestalten
Der Weg zu einem innovativen Ziel führt naturgemäß bei schlechter Sicht durch unbekanntes Terrain. In diesem 2. Teil der Artikelserie (zu Teil1) „Die Zauberformeln der Innovation“ geht es um wichtige Gestaltungsmerkmale innovativer Prozesse. Ich gebe Ihnen einige Anregungen, wie Sie Denken, Entscheiden und Handeln geschickt kombinieren und gestalten können. Dabei werden Sie erfahren, was es mit divergentem und konvergentem Denken im Innovationsprozess auf sich hat und warum wir uns durch die Groan Zone (die Zone des Ächzens und Stöhnens) schlagen müssen. Außerdem werden wir uns mit dem Wesen von Entscheidungen und der Bedeutung des Timings bei der Gestaltung von Innovationsprozessen beschäftigen.
Innovationsprozess: Ziele und Umfeld
Schauen wir uns die Eigenschaften innovativer Ziele und die Topografie des Umfelds an, das wir auf dem Weg zu diesen Zielen durchqueren. Innovative Ziele sind zwangsläufig schwerer zu beschreiben oder zu begreifen als Ziele, die denen ähneln, die wir bereits erreicht haben. Wir versuchen, durch die Kombination von Erfahrung und Phantasie eine Vorstellung von diesem Ziel zu entwickeln. Welchen Nutzen erwarten wir? Wie fühlen wir uns dort? Was erwartet uns dort? Wie verändert sich unsere Beziehung? Und so weiter. Die Anziehungskraft eines Ziels wird stark davon geprägt, wie gut es uns gelingt, die Eigenschaften des Ziels plausibel, sichtbar und spürbar im Sinne unserer Bedürfnisse werden zu lassen. Innovative und visionäre Ziele winken beispielsweise mit der Befriedigung von Bedürfnissen, wie Anerkennung, Kreativität, Inspiration, Abwechslung, Erkenntnisgewinn, Selbstverwirklichung und Herausforderung. Gleichzeitig bergen sie möglicherweise mehr Risiko, Unsicherheit, Spekulation und schwer greifbare Komplexität. Das Umfeld, das wir auf dem Weg zum Ziel durchqueren, bietet aufgrund seiner Dynamik, Unübersichtlichkeit, Vieldeutigkeit und Komplexität ähnliche Chancen und Risiken wie das Ziel selbst. Ein Innovationsprozess bedeutet in der Regel, dass wir uns in waberndem Nebel durch ein weitgehend unbekanntes und hindernisreiches Gelände schlagen müssen, um ein bewegliches Ziel zu erreichen, von dem wir nicht einmal genau wissen, wie es aussieht. Wenn das keine Herausforderung für Kommunikation und Lernfähigkeit ist!
Entscheiden, Umsetzen, Reflektieren im Innovationsprozess
Wie kommt ein Team mit seinem Innovationsprozess am besten durch das gerade beschriebene Umfeld und findet das Ziel im Nebel? Im Prinzip ist es ganz einfach: Es kommuniziert, um zu entscheiden, wie es die erste Etappe auf dem Weg zum Ziel bewältigen will und wie lange diese Etappe sein soll. Am Ende der Etappe müssen aufgrund der gemachten Erfahrungen neue Entscheidungen getroffen werden. Wir können uns das anhand einer Analogie vergegenwärtigen:
Die Entscheidung zur praktischen Umsetzung einer Dschungelexpedition zur Entdeckung von Kultstätten einer verschwundenen Kultur könnte lauten: „Wir folgen dem Fluss, solange er Richtung Norden fließt oder bis spätestens 17:00 Uhr mit unseren Schlauchbooten. Dann suchen wir uns einen geeigneten Biwakplatz.“ Da der Fluss vor 17:00 Uhr seine Richtung ändert, wird die Etappe an geeigneter Stelle beendet. Nach Aufbau des Biwaks und einem stärkenden Essen werden die Ereignisse des ersten Tages besprochen, wichtige Erfahrungen dokumentiert und Vorschläge für die nächste Etappe und den weiteren Verlauf der Expedition gesammelt. Diese Reflexion wird nach dem Essen fortgesetzt, indem durch Diskussion und Abwägung die erfolgversprechendsten Optionen für die nächste Etappe entwickelt werden. Schließlich stimmt das Expeditionsteam der vom Expeditionsleiter favorisierten Option einstimmig zu. Die Expeditionsleitung gibt die Entscheidung bekannt: „Morgen soll ein Erkundungstrupp den weiteren Weg durch den Dschungel nach Norden erkunden und bis 18:00 Uhr zum Biwak zurückkehren.“ Am nächsten Tag wird die Umsetzung dieser Erkundungsetappe wie geplant durchgeführt.
Eine wichtige Eigenschaft der Gestaltung für einen Innovationsprozess liegt darin, dass aufgrund des unbekannten Geländes kontinuierlich relativ kurze Phasen von gemeinsamer Reflexion, Entscheidungsvorbereitung und Umsetzung durchlaufen werden. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass im Vergleich zu einer einmaligen Ansage der Expeditionsleitung „Wir schlagen uns so schnell wie möglich nach Norden durch und das läuft nach folgenden Plan …“ eine geringere Strecke pro Zeit bewältigt wird und das Ziel möglicherweise langsamer erreicht werden kann. Die Vorteile dagegen sind:
- Die Expeditionsleitung nutzt die Erfahrungen aller Beteiligten für ihre Entscheidung. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer guten Entscheidung.
- Die Möglichkeiten der Mitgestaltung steigern die Bereitschaft zu Einsatz und Mitverantwortung aller Beteiligten während der Umsetzung.
- Alle Expeditionsteilnehmer können sich immer wieder aktiv einbringen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle die Entscheidung mittragen, selbst wenn sie eine andere Entscheidung vorgezogen hätten.
- Erfahrungen und Beobachtungen jedes Einzelnen sind willkommen. Das steigert die Aufmerksamkeit bei der Umsetzung und die Bereitschaft aktiv mitzudenken.
- Durch kurze Umsetzungsphasen mit anschließender Reflexion werden die Folgen einer Fehlentscheidung verkleinert. Gleichzeitig gewinnen alle Beteiligten schneller Erkenntnisse aus Fehlentscheidungen. Diese lassen sich dann kurzfristig für die nächsten Entscheidungen nutzen. (Auf den Begriff „Fehlentscheidung“ komme ich später noch einmal zurück.)
- Sollten einige Expeditionsteilnehmer nicht von einer Entscheidung überzeugt sein, so sind sie leichter für die Unterstützung einer Umsetzung zu gewinnen, mit der diese Entscheidung in einem überschaubaren Zeitraum überprüft und korrigiert werden kann.
Videotipp: Innovation gestalten
Geduldiges Zuhören, intensives Nachdenken, gleichberechtigte Diskussion und schrittweises Herantasten an eine Entscheidung im Wechsel mit relativ kurzen Umsetzungsphasen zahlen sich also auf weitgehend unbekannten Wegen zu noch schwer greifbaren Zielen, sprich im Innovationsprozess, in vieler Hinsicht aus.
Innovationsprozess: Die Treppenmetapher
Die Treppenmetapher visualisiert gut verständlich den gerade beschriebenen Zusammenhang in einem Innovationsprozess. Der erfolgreiche Aufstieg zum Ziel setzt sich wie eine Treppe aus Elementen zusammen. Die waagerechten Elemente bringen uns dem Ziel durch praktische Aktionen näher, und wir sammeln dabei Erfahrungen. Die senkrechten Elemente bringen uns dem Ziel durch Nachdenken und Entscheiden u.a. auf Basis der Praxiserfahrungen näher, weil wir künftig auf einem höheren Niveau agieren können. Wer nur handelt, ohne sich immer wieder Zeit zum Nachzudenken zu gönnen, kann seine praktischen Erfahrungen nicht nutzen, um die Umsetzung zu optimieren. Anders ausgedrückt: Die Person oder das Team bewegt sich irgendwie vorwärts, aber gewinnt dadurch keine Höhe. Wer zu viel denkt, ohne zu handeln, dem fehlen wichtige praktische Erfahrungen, um die eigenen Gedanken und Entscheidungen zu überprüfen. In diesem Fall gewinnt die Person oder das Team zwar irgendwie an Höhe, aber kommt nicht vorwärts. Die Metapher deutet an, wie wichtig es beim Innovationsprozess ist, die Höhe und Breite der Stufen abhängig von Ziel und Umgebung ins geeignete Verhältnis zu setzen, d.h. das Timing von Vorwärts-Schreiten und Aufwärts-Steigen ist für den Erfolg der Innovation von größter Bedeutung. Entscheidungen spielen damit eine entscheidende Rolle, weil sie einerseits den Übergang von Denken zum Handeln anstoßen und andererseits auch festlegen, wie und wie lange gehandelt wird. Natürlich kommt dabei der Gestaltung der Kommunikation während des Vorwärts-Schreitens und Aufwärts-Steigens eine wesentliche Bedeutung zu. Haltungen, Prinzipien und Methoden der Kommunikation haben starken Einfluss darauf, wie elegant und zügig wir uns Stufe für Stufe dem Ziel nähern.
Bildquelle: Seminarunterlagen Peter Siwon
Divergentes und konvergentes Denken
Schauen wir uns nun etwas genauer an, wie ein kreativer Prozess oder Innovationsprozess funktionieren könnte. Dabei spielen die geschickte Kombination und methodische Gestaltung divergenter und konvergenter Denkprozesse eine tragende Rolle. Am Anfang des Prozesses steht eine Frage, die durch den Prozess beantwortet werden soll. Diese Frage kann beispielsweise die Suche nach einer Strategie, einer Methode, einer Vorgehensweise, einer Maßnahme oder einer Problemlösung sein. Allerdings lassen sich kreative Prozesse auch einsetzen, um Ziele und Fragestellungen zu entwickeln. Vielleicht wollen wir eine eindrucksvolle Präsentation für einen wichtigen Kunden erstellen. Die Fragestellung, mit der wir in den Prozess einsteigen, könnte lauten: Welches Ziel wollen und können wir mit unserer Präsentation erreichen? Welche Fragen könnten den Kunden besonders interessieren? Nachdem die Fragestellung geklärt ist, nutzen wir die divergente Denkweise, um den Lösungsraum großzügig aufzuspannen. Wir sammeln durch Recherchen, Brainstorming, Umfragen, Nachforschungen etc. möglichst viele Fakten, Meinungen, Annahmen, Anregungen und Ideen, die in irgendeiner Weise dabei helfen könnten, Antworten zu finden. Wir nutzen Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir durch die eigene gedankliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder die Nutzung anderer Informationsquellen gewinnen können. Wir schöpfen dabei aus der großen Vielfalt von Methoden zur Förderung der Kreativität und Informationsbeschaffung.[1] Wichtige Grundregel: Es wird nicht bewertet oder diskutiert.
Tipp 1: Alle offenen Fragen, also Fragen, die mehr liefern als ein Ja oder Nein, helfen dabei, den Lösungsraum zu erweitern. Beispiele: „Was haben wir in der letzten Umsetzungsphase gelernt?“, „Wie ist es zur aktuellen Situation gekommen?“, „Wann/wo/wie oft ist das Problem bisher aufgetreten?“
Tipp 2: Perspektivenwechsel ist ein probates Mittel im Innovationsprozess, um neue Einsichten zu gewinnen. Dazu sind Fragen wie diese hilfreich: „Wie würde … entscheiden?“, „Wie würde sich die Situation aus Sicht von … darstellen?“, „Was würde unser Wettbewerb zu … sagen?“
Tipp 3: Es ist auch sinnvoll, unterschiedliche Kontexte oder Szenarien zu beleuchten. Dazu helfen Fragen wie: „Was würden wir tun, wenn Zeit/Geld/Ressourcen keine Rolle spielen würde?“, „Was würden wir tun, wenn unser Geschäftsmodell/Produkt/… nächstes Jahr nutzlos wäre?“
Bildquelle: Seminarunterlagen Peter Siwon
Klammheimlich weicht die Sammellust nach und nach einem gewissen Gefühl der Beklemmung. Willkommen in der sogenannten Groan Zone (Zone des Stöhnens oder Ächzens). Die Vielfalt der gesammelten Lösungs-Puzzlesteinchen, die teilweise gegensätzlichen Meinungen, Einschätzungen und Annahmen und die sichtbar gewordene Komplexität lassen ein Gefühl der Verwirrung und Hilflosigkeit aufkeimen. Sehr oft ist die Stimmung deshalb etwas bedrückt, wenn Teams in dieser Zone angekommen sind. Die erfahrene Workshopleitung, Moderator:in oder Führungskraft erkennt das Erreichen dieser Zone auch daran, dass sich die Kommunikation im Kreis dreht, im Detail verliert und sich eine gewisse Lustlosigkeit breitmacht. Ein guter Zeitpunkt für eine ausgedehnte Denkpause mit Spaziergang an der frischen Luft. Oder noch besser: ein gemütliches Bierchen, Weinchen oder anderes Getränk, bevor man sich ins Bett legt und dem Gehirn Gelegenheit gibt, das Chaos ein wenig zu verdauen.
Frisch erholt starten wir dann den konvergenten Denkprozess. Nun gilt es, die Kurve in Richtung Antwort zu kriegen, die sehr oft auch eine Entscheidung für konkrete Handlungen ist. Das bedeutet beispielsweise, dass wir zusammenfassen, clustern, verdichten, strukturieren, einordnen, priorisieren, bewerten und aussieben. Nach und nach lichtet sich der Wald in der Groan Zone, in dem wir noch gestern herumirrten. Auch hier helfen uns viele schlaue Methoden der systematischen Chaosbewältigung. Wenn alles gut läuft, purzeln am Ende Antworten oder Entscheidungen heraus, mit denen sich alle gut identifizieren können. Nicht zuletzt deshalb, weil wir gemeinsam den Weg aus der düsteren Groan Zone durch den konvergenten Tunnel zurück ans Licht gefunden haben. Das hebt die Laune und fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl. Es kann aber auch passieren, dass sich der konvergente Tunnel in mehrere Röhren aufspaltet und sich im Team keine Einigkeit über den weiteren Weg erzielen lässt. Nun schlägt die Stunde derer, die bereit sind, Verantwortung für eine Entscheidung zu übernehmen. Aber dazu gleich noch mehr.
Tipp 4: Auch in der konvergenten Phase ist ein Perspektivenwechsel hilfreich: „Welche Optionen würde ein Optimist/Pessimist/… wählen?“
Tipp 5: Unterschiede dienen dem Erkenntnisgewinn: „Was haben diese Optionen gemeinsam?“, „Welche Möglichkeiten gibt es, sie zu kombinieren?“, „Wie kommen diese Unterschiede zustande?“, „Auf welcher Grundlage bist Du zu dieser Meinung gekommen?“, „Was lernen wir aus diesem Unterschied?“
Tipp 6: Übergeordnete Kategorien und Kriterien helfen dabei, ähnliche Ansätze zur Beantwortung einer Frage, Lösung eines Problems, Definition einer Maßnahme etc. zu sammeln und zu ordnen (clustern). Beispielsweise: kurzfristige Lösungen mit wenig Aufwand, technische Ansätze, organisatorische Ansätze, Eigenleistung, Fremdleistung, …
Die Qual der Wahl
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir durch Methoden des divergenten und konvergenten Denkens zu einer eindeutigen, unumstrittenen Antwort kommen, ist bei komplexen, zukunftsgerichteten Fragestellungen eher unwahrscheinlich. Es gibt schlichtweg zu viele Unsicherheiten. Zum einen dadurch, dass wir nicht über eine objektive und vollständige Informationsbasis verfügen. Zum anderen sind künftige Entwicklungen aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen in komplexen Systemen sehr schwer einschätzbar. Immer wieder werden wir auf der Reise durch die konvergenten Denkzonen an Weggabelungen kommen, an denen wir Entscheidungen treffen müssen, weil dort kein Wegweiser „Hier geht´s lang“ steht. An dieser Stelle ist es hilfreich, sich über das Wesen von Entscheidungen Gedanken zu machen.
Videotipp: Das Wesen der Entscheidung
Eine Entscheidung ist immer notwendig, wenn es mehrere Optionen gibt, den Weg fortzusetzen. Keine Option bietet eine hundertprozentige Sicherheit. Wir können die Erfolgswahrscheinlichkeit und Risiken bestenfalls abschätzen und vergleichen. Doch selbst wenn wir die Option wählen, die zu 99% Erfolg verspricht, können wir scheitern. Das ist der Witz beim Entscheiden: Sie ist immer mit dem Risiko verbunden, dass sie nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Alles, was wir tun können, ist dieses Risiko so gut es geht zu begrenzen, ohne die Kosten oder den Zeitaufwand für das Entscheiden unverhältnismäßig in die Höhe zu treiben. Allerdings bekommen wir für die Bereitschaft, uns schnell genug zu entscheiden, Gegenwerte, die nicht zu verachten sind: Handlungsfähigkeit, Handlungsspielräume und die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln.
Entscheidungen verwandeln Unsicherheit in Handlungsfähigkeit. Der Preis ist das Risiko der Fehlentscheidung und die Verantwortung, die wir dafür übernehmen.
Doch denken wir noch etwas weiter darüber nach. Was bedeutet es, wenn eine Entscheidung nicht zum erwünschten Ergebnis führte? Es sagt nicht zwingend aus, dass eine andere Entscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung zum gewünschten Ergebnis geführt hätte. Es bedeutet auch nicht, dass die Entscheidung falsch war, denn selbst wenn wir vernünftigerweise die Option mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit wählen, können wir Pech haben. Umgekehrt können wir bei Entscheidungen mit einer unvernünftig geringen Erfolgswahrscheinlichkeit Glück haben. Lottospielen ist statistisch gesehen total unvernünftig – außer man knackt den Jackpot.
Tipp 7: Sprechen Sie, wenn es um Entscheidungen geht, nicht über falsch oder richtig, sondern über Erfolgswahrscheinlichkeiten, Risiken und Chancen.
Tipp 8: Nehmen Sie Einwände an einer Entscheidungsoption ernst. Erklären Sie, warum die Option trotzdem gewählt wurde, und zeigen Sie, wann und wie die Option bei der Umsetzung im Sinne der Einwände überprüft wird: „Wir werden das von Dir genannte Risiko durch eine wöchentliche Betrachtung von … im Auge behalten.“
Tipp 9: Wenn eine Entscheidung nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat, dienen Fragen mit „was“ oder „wie“ einem lösungsorientierten Ansatz: „Wie ist es zu dem Ergebnis gekommen?“, „Was hat dazu beigetragen, dass die Erwartungen nicht erfüllt wurden?“, „Welche Erkenntnisse haben wir gewonnen, die die Erfolgswahrscheinlichkeit künftiger Entscheidungen dieser Art erhöhen könnten?“
Um zu gewinnen, sind wir in harten Wettbewerbssituationen möglicherweise gezwungen, Risiken einzugehen, die sich bereits in der Grauzone zwischen Vernunft und Leichtsinn bewegen. Schließlich gibt es auch Alles-oder-nichts-Entscheidungen, wenn wir an die Grenzen unserer Existenz gehen müssen, um zu überleben.
Wir können also nur anstreben, Entscheidungen so zu treffen, dass wir kein unverhältnismäßig hohes Risiko eingehen. Doch wie wir gerade gesehen haben, ist die Bandbreite der Verhältnismäßigkeit extrem groß. Lottospielen ist ok, wenn wir uns dadurch nicht in den Ruin stürzen, weil wir aus der Hoffnung auf den Jackpot Haus und Hof verspielen. Es ist durchaus angebracht, den Begriff „Fehlentscheidung“ als irreführend zu betrachten. Besser wäre vielleicht eine Umschreibung wie „Entscheidung mit unerwarteten oder unerwünschten Folgen“.
Ansonsten bieten Entscheidungen immer einen Nutzen. Entweder erzielen wir bei der Umsetzung dadurch ein brauchbares Ergebnis oder gewinnen neue Erkenntnisse. Wir werden später sehen, dass wir durch gutes Timing in der Lage sind, den Aufwand und das Risiko von Entscheidungen in ein vorteilhaftes Verhältnis zum Ergebnis bzw. Erkenntnisgewinn zu setzen. Dieses Bestreben wird noch begünstigt, wenn wir uns im Wechsel entweder voll auf Reflexion-für-Entscheidungsfindung oder voll auf Umsetzung-für-Erfahrungssammlung fokussieren.
Die Prozessgestaltung hat das Ziel, den Wert der Ergebnisse und Erkenntnisse in ein möglichst vorteilhaftes Verhältnis zu dem dafür entstandenen Aufwand und den dafür eingegangen Risiken zu setzen.
Ich hoffe, ich konnte zeigen, wie wichtig es ist, einen Innovationsprozess bewusst zu gestalten. Die Reihenfolge und das Timing von divergenten Denkphasen, konvergenten Denkphasen, Entscheidungsfindung und Umsetzung haben großen Einfluss darauf, wie wir auf dem Weg durch unbekanntes Gelände bei schlechter Sicht unser Ziel erreichen können. Wesentlich ist dabei, dass wir uns einerseits genug Zeit für die Entscheidungsfindung nehmen, indem wir konzentriert über unsere Erfahrungen und die aktuellen Rahmenbedingungen nachdenken. Andererseits müssen wir zügig genug durch Entscheidungen Handlungsfähigkeit herstellen, um dann mithilfe einer konsequenten Umsetzung neue Erfahrungen für künftige Entscheidungen sammeln zu können. Die Risiken, die zwangsläufig mit jeder Entscheidung verbunden sind, lassen sich durch das Timing von Denk-Entscheidungs-Phasen und Umsetzungs-Phasen begrenzen. Die gemeinsame Vorbereitung einer Entscheidung und die zeitlich überschaubare Umsetzung erhöhen die Bereitschaft der Beteiligten, die Umsetzung aktiv zu unterstützen und aufmerksam zu beobachten, auch wenn sie der Entscheidung skeptisch gegenüberstehen. Auf diese Weise lässt sich eine zielorientierte Kombination von Fortschritt in Form konkreter Ergebnisse und Fortschritt durch Erkenntnisgewinn erreichen. Wir nähern uns also nicht nur dem Ziel, sondern werden dabei auch immer besser in der Art, wie wir das tun.
Teil 1: Der Schlüssel zur Innovation liegt in der Gestaltung der Kommunikation
Teil 2: Der Weg durch die Zone des Ächzens und Stöhnens
Teil 3: Timing, Rhythmus, Flexibilität
Teil 4: psychologische Innovationsbremsen
Teil 5: Mitgestaltung erzeugt Mitverantwortung
[1] Buchtipp: Nicolai Andler, Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting